Die Anreise
Die Anreise erfolgte mit Turkish Airlines über Istanbul nach Entebbe mit Zwischenlandung in Kigali / Ruanda. In Entebbe ist eine angenehme Stadt am Victoria See, ca. 35 km entfernt von der Hauptstadt Kampala, dort eine Übernachtung im Hotel. Am nächsten Tag Inlandsflug mit Aerolink nach Kihihi im Südwesten von Uganda, Flugzeit ca. 1,5 Stunden.
Am Airstrip Kihihi wurde ich abgeholt vom Administrator des Krankenhauses, Martin Atukwase, die Autofahrt zum Krankenhaus dauerte ca. 30 min. Unterkunft und Verpflegung bekam ich privat bei einer sehr gastfreundlichen Familie in der Nähe des Krankenhauses.
Das Katate Health Center
Das Katate Health Center in der Stadt Kanungu wird seit 2016 von dem deutschen Chirurgen Dr. Holger Listle baulich saniert, erweitert und organisatorisch aufgebaut. Das Krankenhaus leistet medizinische Grundversorgung, ambulant und stationär, einschließlich der Betreuung von HIV-positiven Menschen.
Weiterführende Informationen über das Projekt auf der Homepage: https://www.katate-health-center.de/das-projekt/ Ein Schwerpunkt ist die Geburtshilfe. Die durchschnittliche Geburtenrate liegt in der Region bei mehr als 7 Kindern. Pro Jahr werden mittlerweile 300 bis 400 Entbindungen per Kaiserschnitt durchgeführt. Hierzu steht ein OP-Gebäude mit hohem hygienischem Standard und autarker Solarenergieversorgung zur Verfügung. Dr. Listle organisiert vor Ort zwei bis dreimal pro Jahr »Surgical Camps«. In dieser Zeit werden unter seiner Anleitung kleinere Operationen wie Entfernung von benignen Tumoren, Keloid-Korrekturen, Hernien-OPs und anderes mehr durchgeführt.
Zahnmedizin im Health Center
Die neueste Erweiterung ist ein zahnärztlicher Behandlungsraum im OP-Gebäude mit einem Behandlungsstuhl aus chinesischer Produktion und einer Basisausstattung für einfache Behandlungen. Röntgendiagnostik ist nicht vorhanden. Kollege Tadeo Ahimbibisibwe ist als »Dental Officer Public Health« fest angestellt und gibt sich größte Mühe, die anfallenden Behandlungen zu meistern. Seine universitäre Ausbildung ist eine Weiterbildung für Krankenpflegepersonal, mit Schwerpunkt auf Zahnextraktionen und einfachen konservierenden Maßnahmen, Prothetik mit abnehmbaren Kunststoffprothesen, sowie einfache Kronen- und Brückenversorgungen.
Der Abschluss »Dental Surgeon« erfordert ein längeres Studium, vergleichbar mit unserem Studium der Zahnmedizin. Während meiner Anwesenheit wurde ein »Dental Health Camp« abgehalten und auch im örtlichen Radiosender angekündigt. In diesen zwei Wochen konnten wir 240 Patienten untersuchen und behandeln. Das hohe Maß an Behandlungsbedarf wurde dabei deutlich. Die zahnärztliche Versorgung der Bevölkerung im Südwesten von Uganda ist ausgesprochen mangelhaft bis nicht vorhanden, und für den großen Teil der armen Bevölkerung kaum zugänglich. Ein naturgesundes Gebiss haben wir nicht gesehen. Dafür viele kariöse und tief zerstörte Zähne, Wurzelreste, Zahnlücken mit entsprechenden Kippungen und Elongationen von Nachbarzähnen. Die Mundhygiene ist regelmäßig insuffizient, die meisten Menschen besitzen keine Zahnbürsten oder andere Hilfsmittel. Manchmal konnten wir mit Zement oder Composite, selten mit Amalgam gefüllte Zähne feststellen, die Qualität der Restaurationen war dürftig. Wegen der technischen Einschränkungen des Behandlungsstuhles und der begrenzten Ausstattung mit Instrumenten und Material waren die Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Der Speichelsauger funktionierte nur schwach, der Spraynebelsauger gar nicht. Von drei Turbinenschläuchen funktionierte nur einer und konnte mit einer Turbine genutzt werden. Das langsam rotierende Winkelstücke war beschädigt, das neue, chinesische Handstück lief gar nicht. Bei der Pflege des Behandlungsstuhles gibt es Defizite. Die Sauganlage müsste häufiger gespült werden. Hand- und Winkelstücke bedürfen regelmäßiger Pflege mit Öl.
Zahnextraktionen leistet Kollege Tadeo routiniert und erstaunlich schnell. Hingegen waren meine Weisheitszahn-OP und einige operative Zahnentfernungen unter den beschriebenen Bedingungen herausfordernd. Nicht zuletzt, weil mit Lidocain 2 %ig eine ausreichende und länger anhaltende Anästhesietiefe kaum zu erzielen ist. Die Füllungstherapie erfolgte mit Glasionomerzement oder Composite mit Schmelzätztechnik. Ein Dentinadhäsivsystem (Syntac) habe ich selbst mitgebracht und in einigen Fällen angewendet. Für die Anwendung von Kofferdam konnte ich Kollegen Tadeo begeistern, daher ist das das mitgebrachte Kofferdam-Set bei ihm verblieben. Leider kamen häufiger Patienten wegen des Verlustes von Composite-Füllungen, oft alio loco gelegt. Wir hoffen, dass sich das mit absoluter und konsequenter relativer Trockenlegung ändern wird.
Bei Schmerzfällen oder pulpa aperta durch Kariesexkavation konnten wir endodontische Behandlungen einleiten. Mit Hilfe eines mitgebrachten Endometriegerätes haben wir eine Aufbereitungslänge festlegen können. Die eigentlichen Wurzelfüllungen sind aber noch deutlich verbesserungsfähig und zur Zeit nicht röntgenologisch kontrollierbar.
Kollege Tadeo lässt für zahlungsfähige Klientel auch Zahnersatz wie Kunststoffprothesen mit gebogenen Klammern, sowie einfache Kronen und kleine Brücken bei einem Zahntechniker in Kampala (ca. 400 km entfernt) anfertigen. Methodisch müssen diese prothetischen Behandlungen dringend überarbeitet werden. Beispielsweise ist das Konzept der »reverse preparation« meines Erachtens fachlich absolut inakzeptabel. Ein Zahntechniker fertigt auf einem Situationsmodell Kronen oder Brücken an und der Behandler trägt solange Zahnsubstanz ab, bis die Restauration irgendwie drauf passt. Randschlusskontrolle mit einer Sonde unterbleibt, Okklusion ist Glücksache. Ganz nach dem Motto meines Studienpartners und Zahntechnikers: „Form und Farbe beisst sich ein.“ Die meisten Patienten weisen eine Vielzahl von unterschiedlichen Befunden auf. Eine systematische Diagnostik, Planung und Durchführung von Therapien erfolgen bisher nicht. Auch sollen die Patienten zumindest in zumutbarem Umfang für die Behandlungskosten aufkommen bzw. sich beteiligen. Nach der Devise: „Was umsonst ist, ist auch nichts wert“, sollen damit eine Wertschätzung des Behandlungsangebotes und in Zukunft möglichst eine Deckung der Betriebskosten erreicht werden. Daher werden zur Zeit nur Schmerzzustände oder die nötigsten Befunde behandelt. Viele Patienten können oder wollen sich eine aufwendige Behandlung nicht leisten. Auch einige Extremfälle haben uns im Dental Health Camp aufgesucht. So konnten wir im Falle einer disloziert verheilten Unterkiefer-Collumfraktur und Verlust jeglicher Okklusion keine Therapie anbieten. Der ursächliche Motorradunfall lag drei Jahre zurück, und der Patient wird mit der Mundöffnungsbehinderung und dem Verlust jedweder Kaufunktion leben müssen.
Anders bei der eineinhalbjährigen Olivia, Tochter einer armen, alleinerziehenden Mutter aus dem Volk der Pygmäen. Die Pygmäen wurden vor Jahrzehnten von der ugandischen Regierung aus ihrem traditionellen Lebensraum im Bwindi Rainforest vertrieben. Viele Pygmäen leben seitdem am Rande der Gesellschaft in Armut. Das Gebiet wurde zum Nationalpark erklärt, um dort den Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Berggorillas zu erhalten. Mittlerweile ist daraus eine touristische Attraktion entstanden, das sog. »Gorilla Trekking«.
Mit Hilfe der Organisation »Deutsche Cleft Kinderhilfe e. V.« (https://www.spaltkinder.org/) konnten wir zu zwei ärztlichen Kollegen in einem Krankenhaus in der 150 km entfernten Stadt Mbarara Kontakt aufnehmen. Ein Chirurg und ein Anästhesist arbeiten mit der Organisation zusammen und sind erfahren in der LKG-Spaltchirurgie. Dort wurde die isolierte Lippenspalte chirurgisch korrigiert. Die OP erfolgte kostenlos. Transport, Unterkunft und Verpflegung von Mutter und Kind wurden mit einer Spende finanziert.
Hilfe zur Selbsthilfe
Nach zwei Wochen ging der Einsatz zu Ende. Selbst habe ich nicht sehr viele Behandlungen durchgeführt, mein Beitrag waren spezielle Behandlungen zu Demonstrationszwecken. Ich habe meine Aufgabe darin gesehen, die Arbeitsweise des Kollegen Tadeo unter den ihm zur Verfügung stehen Bedingungen kennenzulernen. Wir haben Patienten gemeinsam untersucht, Diagnosen, Behandlungsmöglichkeiten und Alternativen besprochen, Erhaltungsmöglichkeiten von Zähnen diskutiert. Bei vielen Behandlungen habe ich assistiert und mich bemüht, ihn weiterzubilden im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten. Einige bisher unbekannten Vorgehensweisen, Umgang mit Materialien und Techniken wurden vorgeschlagen. Kollege Tadeo ist hoch motiviert und interessiert, er möchte möglichst viel dazulernen.
Diese persönliche Voraussetzung ist wichtig! Dennoch wird es ein langsamer und langwieriger Prozess sein. Zumal es wenige Fortbildungsmöglichkeiten in Uganda gibt und die Wege zu den Veranstaltungsorten, meistens die Hauptstadt Kampala, weit und beschwerlich sind. Nicht zuletzt erschweren die finanziellen Bedingungen die Teilnahme an Fortbildungen. Kollege Tadeo setzt sich auch ein für präventive Zahnmedizin. Er besucht immer wieder Schulen in der Umgebung, um die Kinder und Jugendlichen über Zahnerkrankungen, deren Vermeidung, Ernährungsfragen und Mundhygiene aufzuklären. Gerne hätte ich an solchen Veranstaltungen teilgenommen. Aber wegen des Andranges vieler Patienten in der Zahnarztpraxis blieb dafür nicht die Zeit.
Sehr beeindruckt haben mich die ruhigen und sympathischen Mitarbeiter des Krankenhauses, deren freundliche Akzeptanz und Aufnahme, die Hilfsbereitschaft und die positive Stimmung im Team. Die aufrichtige Dankbarkeit für unser Engagement für die Menschen in Uganda wurde immer wieder deutlich ausgesprochen, von Krankenhausmitarbeitern, von Patienten, von offiziellen Vertretern der örtlichen Verwaltung, selbst auf der Straße im Dorf. Als »Mzungu« (Weißer in der lokalen Sprache) habe ich mich in Kanungu und an allen Orten in Uganda herzlich aufgenommen, sicher und wohl gefühlt!
Verabschiedet wurde ich mit einem gemeinsamen Mittagessen in großer Runde und den eindringlichen Worten: »Please come again!«.
Ein Blick in die Zukunft
In der Zahnarztpraxis im Katate Health Center mangelt es noch an Ausstattung, Instrumenten, Geräten und Materialien. Ziel ist, das zahnärztliche Niveau fortlaufend zu verbessern. Es ist nicht beabsichtigt, die Zahnmedizin durch anreisende deutsche Zahnärzte zu leisten. Vielmehr sollen örtliche Mitarbeiter zum eigenständigen Betrieb des gesamten Krankenhauses angeleitet und befähigt werden.
Notwendig sind auch die organisatorische Weiterentwicklung der Zahnarztpraxis, Verbesserung von Hygienemaßnahmen und vor allem Ausbildung von Kollegen Tadeo und seiner Assistentin Brenda. Brenda ist Krankenschwester ohne spezifisch zahnmedizinische Weiterbildung oder Erfahrung. Wie wir alle wissen, ist unsere zahnärztliche Tätigkeit ohne kompetente Assistenz nur sehr eingeschränkt möglich! In diesem Zusammenhang wäre zu überlegen, eine Zahnmedizinische Fachangestellte aus Deutschland einzubeziehen, um Assistenzkräfte vor Ort anzuleiten. Weitere Aufgabengebiete wären Praxisorganisation, Lagerhaltung, Behandlungsvorbereitung und Nachbereitung, Hygiene und Sterilisation, Arbeitsergonomie in der Behandlungsassistenz. Bei einem zukünftigen Einsatz in Kanungu ist geplant, die notwendigen Materialien für Amalgamfüllungen im Seitenzahnbereich mitzubringen. Kollege Tadeo soll in dieser Technik ausgebildet werden. Hierdurch ist eine zuverlässigere Versorgung von Seitenzahnkavitäten zu erwarten. Weiterhin sollten einfache endodontische Behandlungen mit überschaubarem Aufwand ermöglicht werden. Prothetische Maßnahmen wie Zahnpräparation, Abformtechnik, einfache Registrate und Okklusionskonzept, Einpassen und Eingliederung von Zahnersatz sollten dringend optimiert werden ohne übertriebene Perfektion. Dr. Joachim Wegener, im Januar 2024